1MRK 505 302-UDE -
Anwendungs-Handbuch
des bekannten 1. Kirchhoffschen Gesetzes. Sammelschienen-
Differentialschutzgeräte messen jedoch nicht direkt die Primärströme in den
Hochspannungsleitern, sondern die Sekundärströme von Magnetkernstromwandlern
(d. h. Stromwandlern), die in allen mit der Sammelschiene verbundenen
Hochspannungsabgängen installiert sind.
Somit ist das Sammelschienen-Differentialschutzgerät in der Hinsicht einzigartig,
dass in der Regel etliche Stromwandler - häufig mit extrem unterschiedlichen
Verhältnissen und Klassen - mit der gleichen Differentialschutzzone verbunden sind.
Da der Magnetkernstromwandlern ein nicht-lineares Messinstrument ist, kann bei
hohen Strömen im Primärkreis des Stromwandlers der individuelle Sekundärstrom
des Stromwandlers erheblich vom ursprünglichen Primärstrom abweichen.
Schutzingenieure sind mit dem Phänomen der Stromwandlersättigung gut vertraut.
Während der Zeitphase, in der ein mit dem Differentialschutzgerät verbundener
Stromwandler in die Sättigung geht, ist die Summe aller Sekundärströme des
Stromwandlers ungleich Null, und das Gerät misst dann einen falschen
Differentialstrom. Besagtes Phänomen ist besonders kritisch im Sammelschienen-
Differentialschutz, denn es kann zu ungewollten Auslösungen am
Differentialschutzgerät führen.
Die Remanenz im Eisenkern eines Stromwandlers ist ein zusätzlicher Faktor, durch
den der CT-Sekundärstrom beeinflusst werden kann. Sie kann die Fähigkeit des
Stromwandlers, den Primärstrom korrekt zur Sekundärseite zu transformieren,
verringern. Die Stromwandler-Remanenz ist aber ein Zufallsparameter. Sie lässt sich
in der Praxis nicht präzise vorhersagen.
Ein weiteres - und möglicherweise weniger bekanntes - zeitweiliges Phänomen tritt
im Sekundärschaltkreis des Stromwandlers im Moment der Unterbrechung eines
hohen Primärstromes auf. Es ist dann besonders ausgeprägt, wenn der OS-
Leistungsschalter den Primärstrom vor seinem natürlichen Nulldurchgang
abschneidet. Dieses Phänomen zeigt sich als eine exponentiell abklingende
Gleichstromkomponente im Sekundärkreis des Stromwandler. Für diesen sekundären
Gleichstrom gibt es im Netz keinen entsprechenden Primärstrom. Das Phänomen lässt
sich einfach als eine Entladung der im Eisenkern des Stromwandlers gespeicherten
magnetischen Energie während des Hochstromzustandes erklären. Je nach Typ und
Auslegung des Stromwandlers kann dieser Entladungsstrom eine Zeitkonstante in der
Größenordnung von hundert Millisekunden haben.
Folglich müssen all diese Phänomene in der Entwicklungsphase eines
Sammelschienen-Differentialschutzgerätes berücksichtigt werden, um bei externen
Fehlerbedingungen ungewollte Auslösungen am Differentialschutzgerät zu
verhindern.
Die analoge Generierung der Sammelschienen-Differentialschutzgeräte
(d. h.RADHA, RADSS, REB 103) löst im Allgemeinen all die Probleme, die durch
die nichtlinearen Eigenschaften des Stromwandlers verursacht werden, indem
zwischen den Sekundärströmen aller mit der Schutzzone verbundenen Stromwandler
die galvanische Verbindung verwendet wird. Diese Geräte sind so konzipiert, dass die
Stromverteilung über die Gerätedifferentialabzweigung bei sämtlichen transienten
Bedingungen, die durch die Nicht-Linearität der Stromwandler verursacht werden,
Abschnitt 6
Differentialschutz
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