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Bericht Aus Berlin; Das Personal Bestimmt Das Bewusstsein - Epson NPD4746-00 Benutzerhandbuch

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N
M

Bericht aus Berlin

Das Personal
bestimmt das
Bewusstsein
Die Rechtspolitik dürfte munterer wer-
den. Denn nachdem Verteidigungs-
minister Karl-Theodor zu Guttenberg
(CSU) wegen seines erschlichenen „Dr.
jur."
doch
endlich
zurück
musste, hat Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) eine kleine Personalro-
chade im Kabinett vorgenommen: Bun-
desinnenminister Thomas de Maizière
(CDU) wurde durch den bisherigen
CSU-Landesgruppenchef
Friedrich ersetzt. Und der führt den
präsidentialen Kuschelkurs seines Vor-
gängers innerhalb der Koalition nicht
länger fort, sondern setzte sich gleich
beim Amtsantritt nachdrücklich für die
Wiedereinführung der Vorratsdaten-
speicherung ein. Auch seine Äuße-
rung, der Islam gehöre – historisch be-
trachtet
nicht
zu
erweckte reflexartig eine schon be-
kannte Debatte wieder zum Leben, die
sich allerdings eher auf Textexegese als
auf aktuelle Lebensumstände etwa im
Berliner Viertel Nord-Neukölln richtet.
Kuschelkurs ist vorbei
Dabei gilt Friedrich keineswegs als Pol-
terer, sondern eher als nachdenkliches
Schlitzohr. Außerhalb von Bayern hat
viele erfreut, dass er sich in der Bun-
deshauptstadt manches Mal vom Kurs
seines
Parteichefs
Horst
emanzipiert hat. Während der Rück-
zugsgefechte des Selbstverteidigungs-
ministers zu Guttenberg gehörte Fried-
rich allerdings zu den Scharfmachern,
die auf Kritiker des Freiherrn aus dem
CDU-Lager
schossen.
ministerin Sabine Leutheusser-Schnar-
renberger, ohnehin als FDP-Partei-
chefin
im
südlichen
kampferprobt, wird also Gelegenheit
haben, ihr Profil zu schärfen. Dass
auch den Christsozialen ein strammer
Kurs begrenzten Konflikts im Regie-
rungsbündnis (und gegenüber der
Schwesterpartei) nützlich sein kann,
weiß man schon seit den früheren
CSU-Vertretern im Innenressort, Her-
mann Höcherl („Verfassungsschützer
können nicht immer das Grundgesetz
unter dem Arm tragen") und Friedrich
Zimmermann („Old Schwurhand").
IV
AnwBl 4 / 2011
Hartz IV – und kein Ende?
Doch besteht Politik ja glücklicherweise
nicht nur aus unterhaltsamen Persona-
lien. Im zähen Verhandlungsdrama
um die Reform der Arbeitslosenver-
sicherung („Hartz IV") fiel endlich der
Schlussvorhang: CDU/CSU und FDP
einigten sich mit der SPD auf eine mo-
natliche Erhöhung um zunächst fünf
Euro; im kommenden Jahr werden
noch einmal drei Euro drauf gelegt. Et-
treten
liche Sozialrechtler und Sozialpolitiker
erwarten freilich, dass demnächst wie-
der das Bundesverfassungsgericht mit
den Regelsätzen befasst wird. Dieses
hatte zwar keineswegs eine Anhebung
des „Arbeitslosengeldes II" verlangt,
Hans-Peter
wohl aber eine nachvollziehbare Be-
rechnung desselben.
Falls dies dem Gesetzgeber abermals
nicht gelungen sein sollte, wird wohl
auch das zugleich eingeführte „Bil-
dungspaket" für Kinder nicht helfen –
ebensowenig wie die Übernahme der
Kosten dezentraler Warmwasserberei-
tung durch den Bund oder die auf
Deutschland,
Drängen der Sozialdemokraten be-
schlossenen „Protokollerklärungen" zu
Mindestlöhnen und Zeitarbeit. Die
Karlsruher Verfassungshüter machten
jedenfalls auf ihrer jährlichen Presse-
konferenz deutlich, dass ihnen das end-
lose Tauziehen um die gerichtlichen Vor-
gaben wenig geschmeckt hat – zumal
Bundestag, Bundesrat und deren ge-
meinsamer Vermittlungsausschuss das
höchstrichterliche Ultimatum (zumin-
dest zeitlich gesehen) nicht erfüllt haben.
Straflosigkeit mit Strafzuschlag
Seehofer
Eine gute Nachricht für den Staats-
haushalt, eine schlechte für Steu-
ersünder: Steuerhinterziehung
künftig teurer. Die Finanzpolitiker der
Koalition haben sich darauf verständigt,
dass bei einer strafbefreienden Selbst-
Bundesjustiz-
anzeige fünf Prozent Strafzuschlag be-
rappt werden müssen – allerdings nur,
wenn der Hinterziehungsbetrag über
Freistaat
50.000 Euro liegt. Zusätzliche Nachzah-
lungszinsen von sechs Prozent jährlich
fallen ohnehin an.
Bedenken, dies sei mit dem Charak-
ter der Straflosigkeit kaum zu verein-
baren, und es handele sich um eine als
Verwaltungsgebühr getarnte Strafsank-
tion, setzten sich nicht durch. Der Weg
in die Straflosigkeit soll auch anderwei-
tig erschwert werden, damit er nicht
von vornherein als Notausgang für
Hinterziehungsstrategien einkalkuliert
werden
wird
kann:
Die
Beichte
eines
„reumütigen"
Abgabenkriminellen
muss künftig „allumfassend" sein. Für
eine Selbstbezichtigung soll es außer-
dem zu spät sein, sobald das Finanz-
amt eine Außenprüfung ankündigt.
Friedliche Streitbeilegung fördern
Fleißig war auch die Regierung: Gleich
drei beachtenswerte Vorgaben brachte
das Kabinett auf den Weg. So wird es
Verbraucher begeistern, dass die Abzo-
ckerei mit teuren Warteschleifen bei
Servicenummern wegfallen soll. Man-
che Anbieter subventionieren zielstre-
big die Lockpreise ihrer Produkte, in-
dem sie den (oft unvermeidlichen)
Anruf bei der zugehörigen Beratungs-
hotline zielstrebig in den Orbit leiten.
Wer Probleme mit seinem Telefon-
anschluss oder Computer hat, muss
sich bisher bei nervtötenden Ansagen
oder Musikberieselung in Geduld fas-
sen – und das auch noch berappen.
Wobei die raren 0800-Nummern kos-
tenlos sind, 0180- und 0900-Nummern
um so teurer.
Ins
Telekommunikationsgesetz
wird nun hinein geschrieben, dass
Warteschleifen bei Servicenummern
nichts mehr kosten dürfen. Ausnah-
men gelten bei Festpreisen, müssen
dem Anrufer aber ausdrücklich mit-
geteilt werden. Weiter vereinfacht wird
überdies die Mitnahme einer Rufnum-
mer beim Wechsel der Telefon- und In-
ternetfirma. Diese muss auch mindes-
tens einen Tarif anbieten, der Kunden
höchstens zwölf Monate lang bindet.
Den Segen der gesamten Regierung
fanden zugleich zwei Vorschläge aus
dem Justizressort: Das Parlament darf
endlich über den Leutheusser-Schnar-
renbergerschen Entwurf für das „Ge-
setz zur weiteren Erleichterung der Sa-
nierung von Unternehmen" (ESUG)
abstimmen. Und mit einem Media-
tionsgesetz
(„Bericht
aus
3/2011) soll – gegebenenfalls auch
durch einen nicht streitentscheidenden
Richter – die friedliche Streitbeilegung
gefördert werden.
Prof. Dr. Joachim
Prof. Dr. Joachim
Jahn, Berlin
Jahn, Berlin
Der Autor ist Wirtschafts-
redakteur der F.A.Z. und
Honorarprofessor an der
Universität Mannheim.
Sie erreichen den Autor
unter der E-Mail-Adresse
autor@anwaltsblatt.de.
Berlin"

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