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Epson NPD4746-00 Benutzerhandbuch Seite 13

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Aufsätze
Unantastbarkeit der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG
gehört die Anerkennung eines absolut geschützten Kern-
bereichs privater Lebensgestaltung. In diesen Bereich darf
die akustische Überwachung von Wohnraum zu Zwecken
der Strafverfolgung ... nicht eingreifen. Eine Abwägung nach
Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen der
Unverletzlichkeit der Wohnung (....) und dem Strafverfol-
gungsinteresse findet insoweit nicht statt."
Die typische Organisationsform der Datenverarbeitung
war die einer zentralen Datenverarbeitung, wobei ebenso ty-
pisch war, dass der Betroffene nur Objekt dieser Verarbei-
tung, nicht hingegen selbst der Betreiber einer überaus star-
ken Datenverarbeitung sein könnte. Auch die Nutzung von
anderen Telekommunikationsdiensten als Telefon und Tele-
medien war nicht aktuell. Die Mängel des BDSG führten das
BVerfG dazu, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und
Integrität informationstechnischer Systeme
auch auf den nicht-öffentlichen Bereich ausstrahlen. Der Ge-
setzgeber hatte es keineswegs eilig, diese Grundrechtsposi-
tionen des Einzelnen in das BDSG zu übernehmen. Das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde vom
Wortlaut nie aufgenommen. Eine kleinere Novellierung zu
diesem Schutzziel erfolgte 1990. Weitere folgten, ohne dass
die materiellrechtliche Position adäquat ausgestaltet worden
wäre. Mehrfach erwiesen sich Rechtspositionen außerhalb
des BDSG als wesentlich stärker im Hinblick auf das eigent-
liche Anliegen des Schutzes des Betroffenen. Typisch gilt
dies etwa auch und sogar für das UWG.
Die Rechtsprechung hat das BDSG in vieler Hinsicht
noch enger und starrer erscheinen lassen, als es vielleicht
hätte sein müssen. Dies betrifft insbesondere die Einwilligung
in Kombination mit dem AGB-Recht. Es war nicht so, dass
die Grundlage für die Einwilligung, wie sie im BDSG vorgese-
hen ist, als Leitbild fungierte, sondern das BDSG im Übrigen
wurde restriktiv herangezogen, so dass es praktisch keine
wirksame Einwilligung gab. Entweder war diese zu knapp
oder nicht transparent, wenn sie nämlich ausführlich war.
Die Enthaftung der Provider im Rahmen der E-Com-
merce Richtlinie und deren Umsetzung im damaligen TDG,
nun TMG ist rechtspolitisch ein gefährliches Signal.
Einen besonderen, vielleicht immer noch nicht genü-
gend beachteten Meilenstein stellt die Entscheidung des
BVerfG im Rahmen der sogenannten Online-Fahndung dar.
Indirekt hat das BVerfG überhaupt erst den Gedanken für
die Datenschützer aufbereiten und klarstellen müssen, dass
nämlich der eigentliche Schutz heutzutage für den Einzel-
nen nicht darin besteht, wie seine Daten beim Datenverarbei-
ter geschützt werden, sondern zumindest ebenso, mit wel-
cher Autonomie der Einzelne seinerseits selbst seine Daten
verarbeiten, verbreiten und ebenso auch die Daten anderer
verarbeiten und verbreiten darf.
V. Das neue Schutzgut „Privacy"
Jeder Bürger kann sich im Internet oder in sozialen Netzwer-
ken selbst darstellen und über andere berichten. Deshalb
scheint sowohl die Fixierung auf Daten im Sinne des BDSG
als auch die Vorstellung des Einzelnen als eines Betroffenen
verfehlt, zumindest unzureichend. Durch die Kombination
von „Daten" mit Video, Fotos oder Filmen erscheinen Be-
grifflichkeiten wie erheben, verarbeiten neben der Sache. Das
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AnwBl 4 / 2011
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zu schaffen, die
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Schutzinstitut kann nicht wirksam sein, wenn es statisch ist
und aus personenbezogenen Daten besteht. Vielmehr muss
man dem Umstand Rechnung tragen, dass der Betroffene
seine Daten im Rahmen der Handlungsfreiheit entäußert
und im Rahmen der „Privatsphäre" Zweckbindung bean-
sprucht, nur bei besonderen Daten Geheimhaltung oder Ver-
bot der Verarbeitung zu fordern wäre. Je weniger die Hand-
lungsfreiheit gegeben ist, weil die Situation eine soziale
Abhängigkeit beinhaltet, umso schmaler ist der Anwen-
dungsbereich für die Daten, umso früher setzt das Erforder-
nis der Zweckbindung ein.
Bisher wurde kaum beachtet, dass im nicht-öffentlichen
Bereich der Einzelne selbst „Datenverarbeiter" ist, der zwar
aus der Sicht der Datenschützer Internet bzw. Telemedien
„nutzt", der sich aber tatsächlich der Informations- und Tele-
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kommunikationssysteme in großem Maße selbst bedient
und selbst einer der großen Datenproduzenten ist. Ob dem
Einzelnen dies immer bewusst ist, ist eine wichtige, näher
zu klärende Frage. Dazu gehört aber auch, die Frage zu stel-
len, ob die „Daten" überhaupt das geeignete Schutzgut sind,
um die Problematik der Gefährdungslagen in den Griff zu
bekommen.
Die Grundausrichtung des Datenschutzes sollte im Rah-
men der Modernisierung geändert werden: Die Staffelung
vom Verbot über Vermeidung zur Sparsamkeit ist in der Pra-
xis nicht realisierbar und auch nicht vermittelbar. Durch die
Herausstellung eines dynamisch interpretierbaren materiel-
len Schutzgutzes könnte eine „Umpolung" von negativ (Ver-
bot) auf positiv (Informationsfreiheit mit Schranken) erfol-
gen. Voraussetzung ist, dass
das materielle Schutzgut die Fokussierung auf „Daten"
9
ersetzen kann und
das Instrumentarium zu dessen Gewährleistung sich der
9
Abstufung der Eingriffsintensitäten bzw. Gefährdungslagen
anpassen kann.
Der Ansatz besteht in folgender Abstufung:
Von der Informations- und (Online-)Handlungsfreiheit
9
über Zweckbindung,
9
beschränkte, sektorale Sichtbarkeit und über
9
besondere Bereiche, Arten von Daten/Verhältnissen bis
9
zum
grundsätzlichen Verbot mit Schutz des Kerns der Persön-
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lichkeit.
Ein Großteil der Schwierigkeiten bei der Auslegung des
BDSG hängt mit der schwachen Ausprägung des eigentli-
chen Schutzgegenstandes (Privatsphäre und Persönlichkeits-
recht), dem weitgehend fehlenden Haftungstatbestand (vor
allem in Hinsicht auf immateriellen Schaden) und der äu-
ßerst starken Ausprägung des Verbotsprinzips zusammen.
Das Verbotsprinzip der EU-Datenschutzrichtlinie gilt EU-
weit. Es ist im Ansatz auch in der EU-Grundrechtecharta ge-
regelt: Art. 8 der EU-Grundrechtecharta bezieht sich aus-
drücklich auf den Schutz personenbezogener Daten. Dieses
Recht steht jeder Person zu (Abs. 1). Gem. Art. 8 Abs. 2 EU-
Grundrechtecharta dürfen diese Daten nur nach Treu und
25 BVerfG v. 3.3.2004 – 1 BvR 2378/98 u. 1 BvR 1084/99, CR 2004, 343, hier zitiert
LS 2. „Privatsphäre" aufgegriffen z. B. in BVerfG v. 11.1.2011 – 1 BvR 3295/07 –
Verfassungswidrigkeit des Transsexuellengesetzes.
26 BVerfG v. 15.12.1983, BVerfG 65, 1.
27 BVerfG v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07, z. B. CR 2008, 306
28 S. BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06 – payback.
29 Zur Rechtsprechung zur Einwilligung s. z. B. Petri, RDV 2007, 153.
30 Zur Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Sys-
teme, BVerfG v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07, z. B. CR 2008, 306.
Hemmnis für einen modernen Datenschutz: Das Verbotsprinzip, Schneider

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