Herunterladen Inhalt Inhalt Diese Seite drucken

Datenschutz Und Meinungsfreiheit: Regulierung Im Bdsg - Epson NPD4746-00 Benutzerhandbuch

Inhaltsverzeichnis

Werbung

N
M
Aufsätze
V. Ausweg: Medienprivileg für Jedermann
Was also tun? Die Landesdatenschutzbeauftragten und der
BGH haben zwar die von einer ungebremsten Anwendung
des Bundesdatenschutzgesetzes verursachten verfassungs-
rechtlichen Probleme zumindest in Teilbereichen erkannt.
Die bislang vertretenen Lösungsansätze können allerdings
nicht zufrieden stellen. Der BGH befürwortet wohl eine ein-
schränkende Auslegung der §§ 28, 29 BDSG, die im Ergebnis
immerhin in einer kompletten Abschaffung des § 29 Abs. 2
BDSG mündet. Zumindest wird so auf die glaubhafte Darle-
gung eines berechtigten Interesses durch den Leser einer
personenbezogenen Information im Internet verzichtet. In
gesetzgeberischer Hinsicht könnte man an die Schaffung
von datenschutzrechtlichen Sondernormen für meinungs-
relevante
Internetveröffentlichungen
kürzlich vom Schleswig-Holsteinischen Datenschutzbeauf-
tragten Thilo Weichert in Form eines neuen § 29 a BDSG ins
Spiel gebracht wurde.
Ebenso wenig wie die Rechtsprechung des BGH vermag
auch diese Initiative nicht zu überzeugen. Problematisch an
beiden Ansätzen ist, dass sie nur eine punktuelle Abhilfe für
einen Teilbereich der verfassungsrechtlichen Probleme vor-
sehen und das meinungsfreiheitsfeindliche Grundproblem
des datenschutzrechtlichen Verbots mit Erlaubnisvorbehalt
unberührt lassen. Darüber hinaus wird durch beide Vor-
schläge die behördliche Aufsicht über die Meinungsäuße-
rung im Internet durch die Datenschutzbehörden zemen-
tiert, die aus den aufgezeigten Gründen abzulehnen ist. Zu
bevorzugen ist daher, bei den Medienprivilegien anzusetzen
und dadurch die Kundgabe von Meinungen im Internet voll-
ends der Regulierung durch das BDSG zu entziehen. Wie
aufgezeigt, wird das Festhalten an einem starren daten-
schutzrechtlichen Pressebegriff des vergangenen Jahrtau-
sends den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Meinungs-
freiheit nicht gerecht.
Es böte sich daher eine auch judikativ gestaltbare Auswei-
tung der datenschutzrechtlichen Medienprivilegien an, die
mit der dynamischen Weiterentwicklung der Anwendungen
im Netz und der Digitalisierung der Gesellschaft Schritt hält.
Außerdem würde diese Lösung jede Überregulierung von
vornherein vermeiden, indem sie auf die seit Jahrzehnten
ausdifferenzierten und bewährten zivilrechtlichen Lösungs-
mechanismen vertraut und die behördliche Aufsicht entlas-
tet. Das Privileg des § 41 BDSG sollte auf jeden Inhalt mit
Meinungsrelevanz angewandt werden, unabhängig davon,
durch welchen Netzkanal der Inhalt transportiert wird und
von wem er stammt. Wie auch immer: Das Bundesdaten-
schutzgesetz kann die Meinungsfreiheit nicht aushebeln. Es
steht im Rang unter dem Grundgesetz. Die Anforderungen
des BDSG müssen zugunsten der Meinungsfreiheit zurück-
geschraubt werden.
Thorsten Feldmann, LL.M., Berlin
Thorsten Feldmann, LL.M., Berlin
Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und
Medienrecht. Er ist seit 2001 Partner der Kanzlei JBB
Rechtsanwälte in Berlin.
Sie erreichen den Autor unter der E-Mail-Adresse
autor@anwaltsblatt.de.
252
AnwBl 4 / 2011
Datenschutz und
Meinungsfreiheit:
Regulierung im BDSG
Grundrecht aus Art. 5 GG durch eine Anpassung
des Bundesdatenschutzgesetzes verwirklichen
Dr. Thilo Weichert, Kiel
Der Datenschutz muss im Internet kein Hemmnis für das
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sein. Während
Rechtsanwalt Thorsten Feldmann auf dem DAV-Forum Da-
tenschutz am 27. Oktober 2010 für eine Zurückdrängung
denken,
wie
sie
des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) für Meinungsäuße-
rungen im Netz durch eine Ausweitung des Medienprivilegs
plädierte (siehe in diesem Heft ab Seite 250), sieht der Autor
als Landesdatenschutzbeauftragter Schleswig-Holsteins den
richtigen Weg in einer Anpassung des BDSG. Auf dem DAV-
Forum hat er einen eigenen Gesetzesvorschlag für einen
§ 29 a BDSG vorgestellt.
I. Rechtsprechung
Der Konflikt zwischen Art. 5 GG und dem Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung
chungen
praktischen Fragen des Datenschutzes im Internet hatten zu-
vor zu vielen Entscheidungen der Gerichte und der Daten-
schutzbehörden geführt, die ansatzweise aufzeigen, wie
künftig eine praktikable gesetzliche Regelung aussehen kann
und sollte.
sungsbeschwerde eines „Schuldnerspiegels" im Internet ent-
scheiden, der sich in seinen Rechten aus Art. 5, 17 GG ver-
letzt sah, weil ein Oberlandesgericht im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren einen vorbeugenden Unterlassungs-
anspruch bestätigte, der sich gegen die Aufnahme einer strei-
tigen Forderung in dessen Internetauskunftsdienst richtete.
Dabei stellte das BVerfG fest, dass „bei der rechtlichen Be-
wertung von Internetkommunikation inhaltlich Neuland be-
treten" wird. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht ange-
nommen, weil dem Beschwerdeführer die Klärung im
Hauptsacheverfahren zumutbar war. Das BVerfG machte
aber klar, dass dabei eine Abwägung vorgenommen werden
müsse zwischen den „grundrechtlich geschützten Kommuni-
kationsinteressen der Domaininhaber" und den mit einer
„im Internet erfolgenden öffentlichen Anprangerung einer
Person als Schuldner verbundenen nachteiligen Wirkun-
gen".
lierung der Verarbeitung von Internetinhalten zeigte sich im
vom EuGH entschiedenen Lindqvist-Fall, wo das Gericht in
der Bereitstellung von Internetinhalten keine Datenüber-
*
Der Beitrag beruht auf einem Referat des Autors auf dem DAV-Forum Daten-
schutz am 27. Oktober 2010 in Berlin (siehe Tagungsbericht AnwBl 2010, 844).
1
BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff.
2
Überblick deskriptiv bei Weichert VuR 2009, 323 ff.; problemorientiert ders. DuD
2009, 7 ff.
3
BVerfG NJW 2002, 741 f. = MMR 2002, 89 f.
2
ist beim Gesetzgeber angekommen. Die vielen
Schon im Jahr 2001 musste das BVerfG über eine Verfas-
3
Die Notwendigkeit einer spezifischen Datenschutzregu-
Datenschutz und Meinungsfreiheit, Weichert
*
1
bei Internetveröffentli-

Werbung

Inhaltsverzeichnis
loading

Inhaltsverzeichnis