Kapitel 6 - Automatische Wiedereinschaltung (AWE)
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EINFÜHRUNG ZUR AUTOMATISCHEN WIEDEREINSCHALTUNG
Etwa 80 bis 90 Prozent der Störungen in Übertragungs- und Verteilungsleitungen sind von Natur aus
kurzzeitig, d. h., die meisten Störungen sind nicht von langer Dauer und klären sich von selbst, sofern eine
Trennung erfolgt ist. Ein allgemeines Beispiel für eine vorübergehende Störung ist ein Isolatorüberschlag,
der beispielsweise durch einen Blitz, durch kollidierende Leiter oder durch vom Wind getragene Trümmer
verursacht werden kann. Schutzfunktionen, die den Überschlag erkennen, bewirken, dass einer oder
mehrere Leistungsschalter ausgelöst werden und die Störung eventuell behoben wird. Wenn die Quelle
entfernt ist, tritt die Störung bei Wiederinbetriebnahme der Leitung nicht erneut auf.
Die verbleibenden 10 bis 20 Prozent der Störungen sind entweder teilweise permanent oder permanent. Ein
kleiner Zweig eines Baumes, der auf eine Leitung fällt, kann eine teilweise permanente Störung
verursachen. In diesem Fall würde die Ursache der Störung nicht durch die sofortige Auslösung der
Schaltung beseitigt, sondern könnte während einer Auslösungsverzögerung einfach verbrennen oder
verschwinden. Permanente Störungen können gebrochene Leiter, Wandlerfehler, Kabelfehler oder
Maschinenfehler sein, die geortet und repariert werden müssen, bevor die Stromversorgung wieder
hergestellt werden kann. Bei vielen Störungen ist folgendes Verhalten zu beobachten: Wenn bei einer
gestörten Leitung unverzüglich eine Störung ausgelöst wird und dem Störlichtbogen genügend Zeit für die
Entionisierung gegeben wird, bewirkt eine erneute Wiedereinschaltung der Leistungsschalter, dass die
Leitung erfolgreich wieder in Betrieb genommen wird.
Es werden Pläne für die automatische Wiedereinschaltung verwendet, um einen Leistungsschalter nach
einer bestimmten Zeit automatisch wieder einzuschalten, nachdem er infolge der Betätigung eines
Schutzelements geöffnet wurde. Bei EHV-Übertragungsnetzen ist die Wiedereinschaltung normalerweise
durch einphasiges Ansprechen mit hoher Geschwindigkeit beim ersten Versuch der Wiedereinschaltung
charakterisiert. Dies soll zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität bei einer vorübergehenden Störung
beitragen. In Hoch- und Mittelspannungsverteilungsnetzen wird die automatische Wiedereinschaltung
hauptsächlich für Endspeiseleitungen eingesetzt, bei denen im Allgemeinen keine Probleme mit der
Systemstabilität auftreten. Bei Anwendungen dieser Art ist die automatische Wiedereinschaltung im
Allgemeinen durch verzögertes dreiphasiges Ansprechen mit möglicherweise mehreren
Wiedereinschaltungsversuchen charakterisiert.
Die automatische Wiedereinschaltung ist sehr vorteilhaft für Stromkreise mit zeitgestaffeltem Schutz, da sie
einen unverzögerten Schutz und eine sehr schnelle erste Auslösung erlaubt. Bei einer schnellen Auslösung
wird die Dauer eines Stromlichtbogens, der aus einer Störung einer oberirdischen Leitung resultiert, auf ein
Minimum reduziert. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung der Leitung verringert.
Anderenfalls kann aus einer vorübergehenden Störung eine permanente Störung werden. Der unverzögerte
Schutz verhindert zudem, dass die Sicherungen in Hauptspeiseleitungen durchbrennen. Außerdem ist
weniger Wartungsaufwand für den Leistungsschalter nötig, da eine Lichtbogen-Vorheizung beseitigt ist.
Wenn der unverzögerte Schutz zusammen mit der automatischen Wiedereinschaltung eingesetzt wird, ist
die Schaltung normalerweise so eingerichtet, dass der unverzögerte Schutz nach der ersten Auslösung
blockiert wird. Wenn also die Störung nach der Wiedereinschaltung weiterhin auftritt, sorgt der zeitgestaffelte
Schutz für eine selektive Auslösung durch Isolierung des gestörten Bereichs. Bei bestimmten Anwendungen,
bei denen die meisten Störungen mit großer Wahrscheinlichkeit kurzzeitig auftreten, ist es jedoch nicht
unüblich, mehr als eine unverzögerte Auslösung zu gestatten, bevor der unverzögerte Schutz blockiert wird.
Einige Schaltungen erlauben nach der ersten unverzögerten Auslösung eine Reihe von
Wiedereinschaltungen und zeitgestaffelten Auslösungen, die zu einer Beseitigung von teilweise
permanenten Störungen führen können. Solch eine Schaltung kann auch verwendet werden, um das
Ansprechen von Sicherungen in Hauptspeiseleitungen zu gestatten, bei denen der Fehlerstrom niedrig ist.
Bei Speiseleitungen, die teilweise aus oberirdischen und teilweise aus unterirdischen Leitungen bestehen,
sollte die Entscheidung, eine automatische Wiedereinschaltung zu installieren, von einer Analyse der Daten
(Kenntnis der Häufigkeit des Auftretens vorübergehender Störungen) abhängig gemacht werden. Dies hat
den Grund, dass bei solchen Speiseleitungen eine größere Zahl von teilweise permanenten und
permanenten
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