GESCHICHTE DER ELEKTROSTATISCHEN LAUTSPRECHER
Ende des 19. Jahrhunderts wurde jeder Lautsprecher als etwas Exoti-
sches betrachtet. Heutzutage sind die Wunder der Klangwiedergabe
etwas ganz Selbstverständliches.
Es war im Jahre 1880, bevor Thomas Edison den ersten Phonogra-
phen erfunden hatte. Es handelte sich um ein horngeladenes Dia-
phragma, das durch eine Abspielnadel erregt wurde. Im Jahre 1898
erfand Sir Oliver Lodge einen Konuslautsprecher, den er als "Balgte-
lefon" bezeichnete und der den konventionellen Konuslautsprechern,
wie wir sie heute kennen, schon sehr ähnlich war. Lodge hatte jedoch
nicht die Absicht, dass sein Gerät Musik wiedergeben sollte, da es
1898 noch keine Möglichkeit gab, ein elektrisches Signal zu verstär-
ken! Als Ergebnis dessen hatte sein Lautsprecher nichts zu bieten,
was über die akustischen Grammophone der damaligen Zeit hinaus-
ging. Es musste bis zum Jahre 1906 dauern, dass Dr. Lee Forrest die
Triodenvakuumröhre erfand. Der Lautsprecher, wie wir ihn heute
kennen, sollte dann eigentlich zwangsläufig nachfolgen, aber es kam
nicht gleich so. Erstaunlicherweise dauerte es fast zwanzig Jahre, bis
dies geschah.
Im Jahre 1921 wurde die elektrisch geprägte Phonographenschallplat-
te zur Wirklichkeit. Diese Methode der Aufnahme war weit besser als
die der mechanischen Schallplattenprägung und hatte einen Dyna-
mikbereich von fast 30 dB. Mit dem akustischen Grammophon konn-
ten nicht sämtliche, auf dieser neuen Disc enthaltenen Informationen
wiedergegeben werden. Als Ergebnis dessen waren weitere Entwick-
lungen bei den Lautsprechern erforderlich, um diesem tollen neuen
Aufnahmemedium gerecht zu werden.
Im Jahre 1923 traf Bell Telephone Laboratories die Entscheidung, ein
komplettes Musikwiedergabesystem zu entwickeln, das aus einem
elektronischen Phonographen und einem Lautsprecher bestand, um
das neue Aufnahmemedium nutzen zu können. Bell Labs übertrug das
Projekt den zwei jungen Ingenieuren C. W. Rice und E. W. Kellogg.
Rice und Kellogg hatten ein gut ausgestattetes Labor zur Verfügung.
Dieses Labor besaß einen Vakuumröhrenverstärker mit einmaligen
200 W, eine große Auswahl von neuen elektrisch geprägten Schall-
platten und eine Vielzahl von Lautsprecherprototypen, die Bell Labs
über die letzten zehn Jahre gesammelt hatte. Darunter befanden sich
der Konuslautsprecher von Lodge, ein Lautsprecher mit Anwendung
von verdichteter Luft, ein Koronaentladungs (Plasma)-Lautsprecher
und ein elektrostatischer Lautsprecher.
Nach kurzer Zeit hatten Rice und Kellogg das Feld der "Kandidaten"
auf den Konuslautsprecher und den elektrostatischen Lautsprecher
eingeengt. Dieses Ergebnis sollte wegweisend sein, wie die zukünfti-
gen Generationen einen Lautsprecher als "konventionell" oder "exo-
tisch" einstufen.
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Geschichte der elektrostatischen Lautsprecher
Der elektrostatische Lautsprecher von Bell Labs war etwas, das nicht
zu übersehen war. Dieser gewaltige Bipolarlautsprecher war so groß
wie eine Tür. Das Diaphragma, das zu verrotten begann, bestand aus
einem Schweinedarm, der mit feinem Blattgold belegt war, um das
Audiosignal leiten zu können.
Als Rice und Kellogg damit begannen, die neuen, elektrisch gepräg-
ten Schallplatten über den elektrostatischen Lautsprecher wiederzu-
geben, waren sie fassungslos und beeindruckt. Der elektrostatische
Lautsprecher funktionierte großartig. Man hatte noch nie solche in-
strumentale Klangfarben gehört, die mit einem solchen Realismus
wiedergegeben wurden. Dieses System klang wie reale Musik und
nicht wie die trompetenhafte, quäkende Wiedergabe des akustischen
Grammophons. Sie wussten sofort, dass sie etwas Großartiges ge-
funden hatten. Das akustische Grammophon war zum Absterben
verurteilt.
Mit viel Enthusiasmus wendeten Rice und Kellogg beträchtliche Zeit
darauf an, den elektrostatischen Entwurf zu untersuchen. Sie stießen
jedoch sehr bald auf die gleichen Schwierigkeiten, mit denen auch
heute noch Entwickler konfrontiert sind: Planare Lautsprecher benöti-
gen eine sehr große Fläche, um die niedrigeren Frequenzen des
Audiospektrums wiedergeben zu können. Da das Management von
Bell Labs große Lautsprecher als inakzeptabel betrachtete, wurden
die Arbeiten von Rice und Kellogg auf dem Gebiet der Elektrostatik
niemals für kommerzielle Produkte genutzt. Widerstrebend rieten
Rice und Kellogg dem Bell-Management, sich auf den Konuslaut-
sprecher zu konzentrieren. Der elektrostatische Entwurf lag die näch-
sten 30 Jahre auf Eis.
Während der großen Depression der dreißiger Jahre starb das Unter-
haltungs-Audio nahezu aus. Der neue elektrisch verstärkte Lautspre-
cher fand niemals Anerkennung, da die meisten Leute weiter ihre
alten akustischen Victrola-Grammophone nutzten. Vor Ende des
zweiten Weltkrieges zeichnete sich beim Unterhaltungs-Audio ein
ganz geringer Fortschritt ab. In den späten vierziger Jahren erfuhr
das Audio dann eine großartige Neugeburt. Plötzlich war da ein
enormes Interesse an Audioprodukten und damit ein großer Bedarf
an verbesserten Audiokomponenten. Mit den Produkten, die während
dieser Neugeburt entwickelt wurden, wurde der Konuslautsprecher
voll herausgefordert.