Etwas zur Geschichte der Zeesfischerei
(von Gerhard Schlingmann)
Von Zeesenern wird aus dem Gebiet zwischen Salzhaff und Oder-
haff, Rügen eingeschlossen, schon sehr früh berichtet. Die ersten
Zeesen, und hier sind die Netze gemeint, wurden noch von recht
unbeweglichen Kähnen gedriftet. 1569 zählte man im Oderhaff
bereits 72 Zeesenkähne. Dort hatten die Schiffe eine Länge von
etwa 20 Metern. In Stralsund wies ein Riß aus dem Jahre 1866
einen „Zeesener Kahn" mit einer Länge von 13 Metern aus.
Berichtet wurde hier jedoch in der Fischerrolle von 1601 bereits
von großen und kleinen Kähnen, so wurden die Zeesenkähne
durchweg genannt. Das Prinzip des Zeesens ist einfach. Man muß
möglichst viel Luvraum gewinnen und driftet dann quer zum
Wind durch das Wasser. Dabei wird die Zeese (das Netz) dicht
über Grund hinterher gezogen, offengehalten durch
zwei Taue, Driftleinen genannt, die vorn und achtem am Zee-
senkahn befestigt waren und somit die Netzflügel spreizten. Die
Technik des Zeesens ist sicherlich viel diffiziler. Der Zeeskahn
muß gegen den Wind gesegelt werden, um Höhe gegen Luv zu
gewinnen. Dafür müßte er aber scharf gebaut sein und einen Kiel
haben. Das steht jedoch dem Driften entgegen. Dabei wäre ein
Kiel sehr hinderlich. Also gibt es keinen Kiel aber wahrscheinlich
ermöglichten Seitenschwerter das Gegenansegeln. Mit einem
20-Meter-Schiff mit drei Mann Besatzung war das reine Kno-
chenarbeit, und so ist es nur erklärlich, daß sich andere handliche-
re Boote entwickelten.
Um das Jahr 1870 gibt es in Stralsund bereits 68 kleinere einmas-
tige „Zeesboote". Die Zeesen werden vorn durch den Klüverbaum
und achtern durch den Längebaum aufgespreizt. 1895 haben die
Boote etwa 11 Meter Länge über Deck und 3,45 Meter Breite.
Während die ersten Boote Großsegel und Fock besitzen, tragen
sie wenig später bereits zwei Masten. Am Großmast werden
Klüver, Fock, ein baumloses Gaffelgrossegel und ein Gaffeltopp-
segel gefahren, während der hintere kleine Mast, der sogenannte
Bullmast, ein Luggersegel mit Baum trägt. Der Großmast ist
durch Vorstag und Wanten gesichert, während der Bullmast nicht
durch Tauwerk gestützt wird. Weht es einmal zu stark, dann kann
man ihn einfach wegnehmen. Gegen seitliche Abdrift wird das
Boot durch ein Seitenschwert geschützt, das bei jeder Wende oder
Halse mit dem Bootshaken unter den Rumpf gedrückt wird, und
mit Leinen unter dem Rumpf auf die andere Seite verholt wird.
Beim einsetzen in den Schwerthaken hilft wieder der Bootshaken
als Hebel.
Um 1815 wurde das Mittelschwert in Chikago erfunden und
Ca.50 Jahre später in Berlin auf einer Fischereiaustellung gezeigt,
und fand wie selbstverständlich in kürzester Zeit den Weg in die
Zeesboote. Zunächst als Steckschwert.
Ab 1895 sind Zeesen mit Seitenschwertern die absolute Ausnah-
me, bei der Aufzählung der Ämter wird immer darauf hingewie-
sen. Beispiel Amt Arenhoop 6 Zeesen 1 Geklinker mit Seiten-
schwert.
Der Fischtakel ersetzt an Steuerbord das erste Wanttau, da das
Netz an Steuerbord gedriftet und gehievt wird. Er ist in einen
Augbolzen an Deck gehakt.
Das Gaffeltoppsegel wird grundsätzlich an Backbord gefahren,
damit man es, ohne die Arbeit an Bord zu behindern, gefahrlos
setzen oder wegnehmen kann. Überhaupt wurden alle Dinge
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an Bord, die nicht unmittelbar zum Fischen erforderlich waren,
Backbords, an der sogenannten „Möhlsiet" verstaut. Wo es Regeln
gibt, da gibt's bekanntlich auch Ausnahmen. Durch den damali-
gen Grenzverlauf zwischen Pommern (zu Preußen gehörig) und
Mecklenburg fiel nur ein schmaler Streifen des Saaler Boddens
an das letztgenannte Land. Während die Pommerschen Fischer
kreuz und quer auf ihrem Wasser driften konnten, war das Manö-
vrieren mit Segel und Netz auf dem Mecklenburgischen Streifen
des Boddens bei den vorherrschenden westlichen Winden nur mit
über Backbord ausgebrachtem Netz möglich. An der zwangsläufig
unterschiedlichen Art zu fischen, war somit auch die Zugehörig-
keit des Fischers zu Mecklenburg oder Pommern leicht festzustel-
len.
Die Fischer organisierten sich in sogenannten Ämtern (damals
Ämbter) um ihre Rechte und Pflichten zu umreissen und zu
wahren, Heute würde man sie Zünfte nennen. Schlagartig breitete
sich die Fischerei in den Bodden mit der Abschaffung der Leib-
eigenschaft und der Einführung der Gewerbefreiheit zu Beginn
des 19. Jahrhunderts aus, und die Städte mussten ihre Einkünfte
aus der Fischerei mit den Boddendörfern teilen. Als dann einige
Jahre später so viele Zeesboote auf dem Wasser waren, daß eine
Überfischung drohte, da wanderten viele Fischer nach Süddäne-
mark aus. Da die Pommerschen Zeesener bessere Fangergebnisse
einfuhren, als die Dänen, wäre man sie gern wieder losgeworden.
Aber die schlauen Pommern heirateten fix dänische Mädchen und
verhinderten so eine mögliche erzwungene Heimreise. Die Dänen
machten aus der Not eine Tugend, indem sie die pommerschen
Zeesboote unter der Bezeichnung Drivkvasen nachbauten. Ihre
Boote waren etwas kleiner aber nicht weniger effektiv. Mit der
Erfindung des Verbrennungsmotors ging die Zeesenfischerei unter
Segeln zurück, aber die Fangmethode hat sich noch lange gehal-
ten und fand ihr Ende erst gegen Mitte unseres Jahrhunderts.
Bauanleitung Tuckzeese
Bestell-Nr: 2030 M 1:50
Länge über alles ohne Zeesbäume ca 330mm
Breite ca 84mm
Höhe ca 300mm
Die Echtspantbauweise ermöglicht zukünftig auch ungeübten
Modellbauern die Fertigstellung von detailgetreuen Schiffsmo-
dellen, nicht nur von Bei- und Rettungsbooten, wie sie bisher
im Handel nicht angeboten wurden. Einfachste Bauweise und
Werkzeuge kennzeichnen wohl am ehesten dieses Verfahren, das
in wenigen Stunden Modelle entstehen lässt, die den Original-
Booten weitestgehend entsprechen und den gängigsten Maßstä-
ben angepasst sind. Der Grundgedanke war, die Originalbauweise
weitgehendst zu übernehmen.
Unser Bausatz der Tuckzeese ist nicht einer bestimmten Zeese
zugeordnet, sondern ist die Summe meiner Recherchen über die
Zeesboote.
Bei der Planung des Bausatzes bin ich auf einige Zeespläne ges-
tossen, die aber fast alle neueren Ursprungs sind. Einen Plan von
1872 zu Grunde legend, habe ich Änderungen an Hand zahlrei-
cher Zeesenwracks, in der Summe getätigt, ohne die zahlreichen
Sportsegler-Zeesen Neubauten, ganz ausser acht zu lassen.
Fernerhin ist es möglich, die Zeese geklinkert oder kraweel zu
bauen. Obwohl nach 1800 die geklinkerten Zeesboote so selten
waren, dass sie in den Aufzählungen der Fischer Ämter als
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