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gemachte Schaltung produziert außerdem derart wenig Verzerrungen, daß auch unter diesem Gesichtspunkt
keine "balancierte" Schaltung notwendig ist, die das Signal und sein elektrisches Spiegelbild verstärkt.
Vorverstärker müssen hochohmige Signale mit meist niedrigem Pegel verarbeiten. Dort bietet ein "balanciertes"
Schaltungsdesign klare Vorteile. Beim Endverstärker besteht diese Problematik nicht. Der "balancierte" Schal-
tungsaufbau bringt hier sogar einen gravierenden Nachteil mit sich. Um das nachzuvollziehen, genügt ein ein-
faches Gedankenexperiment: Die beiden Endstufen eines "balanciert" aufgebauten Endverstärkers legen an
den einen Lautsprecheranschluß das Musiksignal, der andere bekommt das elektrische Spiegelbild angeliefert.
Um nachzuvollziehen, was das für die einzelnen Endstufen bedeutet, kann man sich die Schwingspule in zwei
gleiche Teilspulen zerlegt vorstellen, von denen jede die halbe Gesamtimpedanz besitzt (da beide hinterein-
ander geschaltet sind, hat diese Anordnung in unserem Gedankenmodell natürlich exakt die Gesamtimpedanz
des Lautsprecherchassis).Wenn die eine Endstufe also gerade positive Spannung an den Lautsprecher abgibt,
liefert die andere eine genau gleich große negative Spannung. An der Stelle, wo die beiden Teile der Schwing-
spule verbunden sind, kompensieren sich die Signale exakt. Man kann sich daher vorstellen, daß dieser Punkt
auf Masse liegt.
Wenn wir nun die Anordnung neu betrachten, ergibt sich also, daß jede der Endstufen auf eine Last arbeitet,
die genau der halben Lautsprecherimpedanz entspricht und am anderen Ende auf Masse liegt. Die Konse-
quenzen sind: Der Dämpfungsfaktor halbiert sich, die Verzerrungen steigen an und die Anstiegsgeschwindig-
keit kann sich verschlechtern.
Um optimale Musikalität zu erzielen, benutzen wir deshalb beim Endverstärker der EVOLUTION-Serie ein
Schaltungskonzept, das symmetrisch zur Masse aufgebaut ist, jedoch "unbalanced" arbeitet. Ein Dämpfungs-
faktor von über I000 von Gleichstrom, bis über 10kHz und absolute Laststabilität auch an kritischen Laut-
sprechern sind daher zwei der essentiellen Voraussetzungen für die absolut natürliche Musikwiedergabe, die
unsere Endstufen mitbringen.
Wer sich mit Musik befaßt weiß, daß das menschliche Ohr auf Signalverfalschungen viel empfindlicher reagiert
als Meßinstrumente. Eine dieser Verfalschungen entsteht, wenn ein Verstärker zu langsam arbeitet: Bei unge-
nügender Anstiegszeit werden Singalflanken "verschliffen". Das menschliche Ohr orientiert sich an der "ersten
Wellenfront" (d.h.: der ersten Anstiegsflanke eines Impulses), um eine Schallquelle zu orten. Verstärker mit
unzureichender Schnelligkeit produzieren daher oft eine "verwaschene" Abbildung und manchen
Instrumenten fehlt der "Glanz". Für den MS kam daher nur eine extrem schnelle Schaltungsvariante mit
Kaskode-Technik, Stromsteuerung und FETs im Ausgang in Frage.
Schnelle Schaltungen haben es auch wesentlich leichter mit einer zweiten Art von Signalverfalschungen umzu-
gehen: Den harmonischen Verzerrungen oder Oberwellen. Instrumente erzeugen Ihre Klangfarbe durch Ober-
wellen, die neben dem Grundton vorhanden sind. Diese Oberwellen sind dafür verantwortlich, daß wir beim
Musikhören beispielsweise eine Flöte blind von einer Trompete unterscheiden können.
Wenn ein Verstärker derartige Verzerrungen erzeugt, sind diese gar nicht mehr so harmonisch, wie ihr Name
sagt. Das hängt damit zusammen, daß der Verstärker die Signale von mehreren Instrumenten gleichzeitig wie-
dergeben muß. Denn neben Oberwellen im Oktavabstand (Klirr) entstehen auch Mischprodukte (Inter-
modulation), die sich bei zu hohem Niveau ziemlich unharmonisch anhören und den Musikgenuß empfindlich
stören. Hierbei erscheinen dem Ohr besonders die hochfrequenten Verzerrungen unangenehm, weil sie bezüg-
lich ihrer Tonhöhe unnatürlich weit vom ursprünglichen Signal entfernt und daher sofort identifizierbar sind.
Ist also ein völlig verzerrungsfreierVerstärker musikalisch? Erfahrungen damit haben uns gezeigt, daß dies nicht so ist.