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MULTIGATE PRO XR4400 Bedienungsanleitung
1.1.2 Der begriff der dynamik
Das menschliche Ohr zeichnet sich dadurch aus, dass es die unterschiedlichsten
Lautstärken wahrnehmen kann – vom leisesten Flüstern bis zum
ohrenbetäubenden Lärm eines Düsenflugzeuges. Versucht man, dieses breite
Spektrum an Lautstärken mit Hilfe von Verstärkern, Cassetten-Recordern,
Schallplatten, ja selbst digitalen Speichermedien (CD, DAT etc.)
aufzunehmen bzw. wiederzugeben, stößt man schnell an die physikalischen
Grenzen der elektronischen und akustischen Wiedergabemöglichkeiten.
Der nutzbare Dynamikbereich für elektroakustische Anlagen ist sowohl nach
unten als auch nach oben hin begrenzt. Das Rauschen der Elektronen in den
Bauteilen führt zu einem hörbaren Grundrauschen und stellt damit die untere
Grenze des Übertragungsbereiches dar. Die obere Grenze ergibt sich durch die
Höhe der internen Betriebsspannungen des Gerätes, deren Überschreiten zu
hörbaren Signalverzerrungen führt. Obwohl der nutzbare Dynamikumfang
theoretisch bis an diese beiden Grenzen reicht, weist er in der Praxis einen
bedeutend geringeren Wert auf, da eine bestimmte Aussteuerungsreserve
eingehalten werden muss, um ein Verzerren des Audiosignals bei plötzlich
auftretenden Pegelspitzen zu vermeiden. Diese Aussteuerungsreserve wird
im Fachjargon als "Headroom" bezeichnet und beträgt in der Praxis ca. 10 bis
20 dB. Ein Absenken des durchschnittlichen Arbeitspegels würde zwar zu einem
größeren Headroom führen, also die Gefahr vor Verzerrungen durch Signalspitzen
verringern, gleichzeitig würde aber auch der Geräuschspannungsabstand
herabgesetzt, was eine Erhöhung des Grundrauschens im Programmmaterial
zur Folge hätte.
P/dB
140
120
100
80
60
40
Abb. 1.1: Dynamikbereiche üblicher Geräte
Um eine optimale Übertragungsqualität zu erreichen, erscheint es daher sinnvoll,
den Arbeitspegel so hoch wie möglich anzusetzen, ohne aber dabei Gefahr zu
laufen, das Signal zu verzerren.
Eine weitere Verbesserung der Übertragungsqualität lässt sich erreichen,
indem das Programmmaterial überwacht wird, um die Aussteuerung mittels
eines Lautstärkereglers laufend von Hand nachzuregeln. In leisen Passagen
wird der Pegel angehoben, wohingegen laute Stellen zurückgeregelt
werden. Natürlich ist klar, dass diese manuelle Regelung ihre Grenzen hat:
Auftretende Signalspitzen sind schwer vorherzusehen und es wäre unmöglich,
sie in der kurzen Zeit auszuregeln. Die Trägheit der manuellen Regelung führt
zwangsläufig zu keinem befriedigenden Ergebnis.
P/dB
+20
Headroom
0
-20
-40
-60
-80
Abb. 1.2: Zusammenhang von Arbeitspegel und Headroom
Es stellt sich daher die Forderung nach einem schnell reagierenden,
automatischen Regelungssystem, welches das Signal stetig überwacht
und die Verstärkung so regelt, dass ein maximaler Rauschabstand – bei
gleichzeitiger Vermeidung von Signalverzerrungen – gewährleistet ist.
Dieses Regelungssystem nennt man Kompressor oder Limiter.
1.1.3 Kompressoren/Limiter
Im Rundfunkbereich und in der Aufnahmetechnik überschreitet der Signalpegel
oft die Aussteuerungsgrenze der signalverarbeitenden Geräte und muss
deshalb in der Dynamik reduziert werden, um Verzerrungen zu vermeiden.
Dies wird üblicherweise durch den Einsatz eines Kompressors oder Limiters
erreicht. Die Funktionsweise dieser Geräte basiert wie bereits besprochen auf
einer automatischen Verstärkungsregelung, die in lauten Passagen den Pegel
reduziert. Auf diese Weise lässt sich z.B. die Dynamik eines Mikrofonkanals
von 90 dB auf 50 dB oder weniger komprimieren, wodurch eine problemlose
Weiterverarbeitung im Bühnen-, Rundfunk- oder Aufnahmebereich
gewährleistet ist.
Obwohl Kompressoren und Limiter ähnliche Aufgaben haben, unterscheiden sie
sich doch in einem wesentlichen Punkt: Der Limiter begrenzt das Signal
oberhalb einer bestimmten Pegelschwelle abrupt, während der Regelvorgang
beim Kompressor über einen größeren Bereich "weich" verläuft. Der Limiter
überwacht das Signal laufend und greift bei Überschreiten einer einstellbaren
Schwelle in den Dynamikprozess ein. Diese Schwelle wird Threshold genannt.
Jedes Signal, das diese Schwelle überschreitet, wird sofort auf den eingestellten
Schwellwert zurückgeregelt.
Der Kompressor überwacht das Programmmaterial ebenfalls und weist auch
einen Threshold-Punkt auf. Im Gegensatz zum Limiter erfolgt der Regelprozess
aber nicht abrupt, sondern verläuft kontinuierlich. Oberhalb des Schwellwertes
(Threshold) wird die Verstärkung des Signals reduziert, abhängig davon,
um welchen Betrag die Schwelle überschritten wurde.
In der Regel wird der Threshold-Punkt unterhalb des Arbeitspegels gewählt,
um eine musikalische "Verdichtung" des oberen Pegelbereiches zu ermöglichen.
In der Limiter-Funktion wird der Threshold-Punkt hingegen oberhalb des
Arbeitspegels gewählt, um eine zuverlässige Signalbegrenzung und einen damit
verbundenen Schutz für nachfolgende Geräte zu ermöglichen.
Clipping
Operating level
Effective SNR
Noise floor
t