Betriebsanleitung
Schnellzuglokomotive S9
Rund 20 Jahre beherrschten die Lokomotiven der Achsfolge 2B (also Loks
mit vorlaufendem Drehgestell und zwei Treibachsen) den Schnellzug- und
Personenzugdienst der Europäischen Eisenbahnen. Allein die preußische
Staatsbahn hatte 3472 Maschinen dieser Achsfolge beschafft, die letzten
davon erst im Jahr 1913. Bereits an der Wende vom 19. zum 20. Jahr-
hundert wurden die Zuggewichte immer größer und die 2B Loks gelang-
ten häufig an ihre Leistungsgrenze. Um auf den Loks einen leistungsfähi-
geren Kessel unterzubringen, musste eine weitere Laufachse angefügt
werden. Damit war die Achsfolge 2B1, die so genannte Atlantic geboren.
Der Name dieser Lokbauart stammt vom ersten Betreiber der Lok, der
Atlantic Coast Line in den USA. Unter Kennern gelten die Atlantic-Loko-
motiven als die elegantesten und formschönsten Dampfloks überhaupt,
zudem waren sie wesentlich leistungsfähiger als ihre Vorgänger und ex-
trem laufruhig. Atlantic Lokomotiven erreichten Geschwindigkeiten bis
200 km/h. Die K.P.E.V. (Königlich Preußische Eisenbahn Verwaltungen)
beschafften als erste Atlantic ab 1902 die Gattung S7 in zwei Bauformen
- die Hannoversche Bauform und die Graffenstadener Bauform, benannt
jeweils nach den Lieferfirmen. Die Loks waren von hervorragender Lauf-
ruhe und leistungsfähiger als die 2B-Vorgänger. Für die weiter steigen-
den Anforderungen jedoch bald nicht mehr leistungsfähig genug. Die
Hannoversche S7 wurde zu einer Art "Super-Atlantic" weiterentwickelt,
es entstand die Gattung S9.
Bei der Hanomag in Hannover konstruiert und gebaut, wurden ab 1908
99 Stück geliefert. Mit ihren hervorragenden Laufeigenschaften und dem
leistungsfähigen Kessel war die S9 wie geschaffen für Schnellzüge im
flachen Norddeutschland. Ihre zugelassene Höchstgeschwindigkeit be-
trug 110 km/h, mit ihrem großen Tender waren Langläufe über eine Ent-
fernung von mehr als 250 km möglich. Sie war auch optisch sehr gelun-
gen und gilt als eine der schönsten preußischen Lokomotiven. Es ver-
wundert allerdings, dass bei diesen Loks nicht das damals schon be-
währte Heißdampfverfahren zum Einsatz kam. Man wollte dies im Jahr
1914 korrigieren und die Loks mit neuen Heißdampfkesseln ausrüsten.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte dies und nur zwei Loks
wurden umgebaut. Diese waren jedoch noch leistungsfähiger geworden.
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