gemäß „nur die schönen Stunden zählt", wie es eine bekannte
Sonnenuhr-Weisheit besagt.
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Die Kenntnis der geographischen Breite und Länge des eigenen
Standorts ist eine Voraussetzung, um mit der Sonnenuhr die
Zeit zu ermitteln. Wenn Sie diese Kenntnis nicht haben, kön-
nen Sie die Koordinaten mit der ICARUS bestimmen. Sie sollten
allerdings mit dem Prinzip der Zeitmessung mit der ICARUS
vertraut sein, um die folgende Beschreibung gut nachvollzie-
hen zu können.
Man geht bei der Koordinatenbestimmung genauso wie in der
Astronavigation vor und nutzt den wahren Mittag, wenn die
Sonne am höchsten steht, zur Messung der geographischen
Breite. Da wir den genauen Zeitpunkt nicht kennen, fangen
wir rechtzeitig, bevor es Mittag wird, mit der Messung an. Wir
stellen zuerst das Datum ein, stellen den Zeitring auf wahre
Ortszeit ein, also 12 Uhr unter den Mittagspfeil. Die Weltkarte
können wir nicht einstellen, da wir ja unseren Standort nicht
kennen. Jetzt führen wir die erste Breitengradannäherung
durch: wir schieben den Breitengradschieber auf 70° N bzw.
70° S und drehen die ICARUS bis der Schatten des Drahtseils
auf ca. 11 Uhr steht. Wenn wir nun die Sonnenuhr so drehen,
dass der Schatten des Ellipsoids auf die Mittagslinie zuwan-
dert, wird sich dieser dem Zeitring nähern, aber die Zeitring-
oberkante normalerweise nicht erreichen. Wir stellen nun den
Breitengradschieber auf eine kleinere Breite (z.B. 65°) und
wiederholen den Vorgang. Nun wird der Schatten dem Zeit-
ring bereits näher gekommen sein. Wir stellen nun sukzessive
kleinere Breiten ein, bis der Ellipsoidschatten in der Mittagsli-
nie die Zeitringoberkante erreicht.
Bitte beachten Sie: Der Ellipsoid wird von der Meridianschei-
be verdeckt, wenn sie genau zur Sonne zeigt. Da wir jedoch
gerade diese Position betrachten, müssen Sie den Ellipsoid-
schatten beobachten, kurz bevor er hinter der Meridianscheibe
verschwindet oder kurz nachdem er wieder erscheint. Die
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„gedachte" Position des Schattens in der Mittagslinie liegt
dann etwas höher.
Wenn wir die Breitengradannäherung nochmals nach einigen
Minuten durchführen, werden wir festellen, dass die ermittelte
Breite sich noch einmal verringert hat, weil die Sonnenhöhe
inzwischen zugenommen hat. Führen Sie die Breitengradannä-
herung in regelmäßigen Abständen immer wieder durch, bis
Sie feststellen, dass die ermittelte Breite ein Minimum erreicht
hat und langsam wieder zunimmt. Die Sonne hat nun ihren
Höchststand überschritten und den Meridian passiert. Die
im Meridian gemessene Breite, also der kleinste Wert, ist die
gesuchte geographische Breite des Standorts. Die Breite stellen
Sie nun ein und können nun die wahre Ortszeit von der
ICARUS ablesen, es müsste jetzt kurz nach 12 Uhr sein.
Die geographische Länge kann man nicht allein aus der Son-
nenbeobachtung bestimmen. Noch im 18. Jahrhundert war
daher die Längengradbestimmung auf hoher See ein großes
Problem. Erst die Erfindung genau gehender mechanischer
Uhren, denen auch Temperaturschwankungen und die Schiffs-
bewegungen nichts anhaben konnten, ermöglichte es, aus der
Differenz der eigenen Ortszeit und der vom Heimathafen „mit-
genommenen" Ortszeit die eigene Länge zu bestimmen.
Wenn wir die mittlere Ortszeit am Nullmeridian in Greenwich
kennen und die Differenz zu der auf der ICARUS gemessenen
mittleren Ortszeit berechnen, können wir daraus die geogra-
phische Länge bestimmen, weil wir wissen, dass sich die Sonne
in einer Stunde 15° bewegt. Für 1° braucht sie 4 Minuten.
Die mittlere Ortszeit am Nullmeridian ist die Weltzeit (UT), die
wir für unsere Zwecke mit der koordinierten Weltzeit (UTC)
gleichsetzen können. Die Zonenzeit, die Sie auf Ihrer Arm-
banduhr ablesen, hat eine Differenz zur UTC in vollen Stunden
(siehe Tabelle 1 und 2). Wenn die Sommerzeit gerade gültig
ist, addieren wir zusätzlich 1 Stunde.
Um die mittlere Ortszeit am eigenen Standort zu ermitteln,
subtrahieren wir von 12 Uhr die Zeitgleichung (Vorzeichen
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